Der Dollar als „Last“ – ein gefährliches Missverständnis
Die Regierung Trump verfolgt nach dem Start des globalen Zollkonflikts einen neuen, ebenso umstrittenen Plan: Mit dem sogenannten „Mar-a-Lago Accord“ soll der US-Dollar gezielt geschwächt werden, um das Leistungsbilanzdefizit zu reduzieren und die Re-Industrialisierung voranzutreiben. Doch diese Strategie basiert auf einer irreführenden Analyse der ökonomischen Zusammenhänge. Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff zeigt, warum der Plan nicht nur wenig hilfreich, sondern potenziell kontraproduktiv ist.
Worum es beim „Mar-a-Lago Accord“ geht
Stephen Miran, Vorsitzender des Council of Economic Advisers, argumentiert, der Dollar sei keine „exorbitante Privilegierung“ mehr, sondern eine strukturelle Belastung. Ausländische Investoren trieben durch ihre Nachfrage nach Dollar-Assets den Wechselkurs in die Höhe. Dadurch würden US-Produkte im Ausland teurer und Importe günstiger – mit dem Ergebnis, dass amerikanische Industriebetriebe Wettbewerbsfähigkeit verlören, Produktionsstätten ins Ausland verlagerten und Arbeitsplätze abgebaut würden.
Eine Theorie mit Lücken
Rogoff widerspricht diesem Narrativ in zentralen Punkten. Zwar kann eine hohe Nachfrage nach US-Staatsanleihen durch ausländische Notenbanken tatsächlich zu einem stärkeren Dollar führen. Doch die Schlussfolgerung, dass dies ursächlich für das Handelsbilanzdefizit und die Deindustrialisierung sei, greift zu kurz.
Erstens betrifft die Nachfrage überwiegend US-Staatsanleihen – nicht jedoch Aktien, Immobilien oder Direktinvestitionen. Staaten wie China oder Japan kaufen US-Treasuries aus währungspolitischen Gründen, nicht zur Portfolio-Diversifikation. Diese Käufe lassen sich nicht einfach mit einer generellen Kapitalzufuhr gleichsetzen, die zur Aufwertung des Dollars führt.
Zweitens ist historisch belegt, dass Länder mit Reservewährungen nicht zwangsläufig Handelsdefizite aufweisen. Die USA selbst verzeichneten in den 1960er- und 1970er-Jahren Leistungsbilanzüberschüsse – obwohl der Dollar damals schon globale Leitwährung war. Auch Großbritannien konnte zur Zeit des Pfund-Sterling-Standards im 19. Jahrhundert trotz dominanter Reservewährung konstant Überschüsse erzielen.
Das Defizit folgt nicht allein dem Wechselkurs
Ein Leistungsbilanzdefizit ergibt sich in der volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz als Differenz zwischen nationaler Ersparnis und Investitionen. Dabei zählen reale Investitionen wie Maschinen, Gebäude oder Infrastruktur – nicht Finanztransaktionen. Wenn die öffentlichen Haushalte mehr ausgeben als sie einnehmen und gleichzeitig die private Ersparnis niedrig ist, ergibt sich zwangsläufig ein externer Fehlbetrag – unabhängig vom Wechselkurs.
In den USA belief sich das staatliche Haushaltsdefizit im Jahr 2024 auf 6,4 % des BIP – deutlich mehr als das Leistungsbilanzdefizit von unter 4 %. Die größere Stellschraube zur Behebung liegt daher in der Finanzpolitik, nicht im Außenhandel. Eine Reduzierung des Haushaltsdefizits wäre ein direkterer Hebel als Zollmaßnahmen, würde jedoch schwierige politische Entscheidungen über Steuern und Ausgaben erfordern.
Handelsdefizit trotz robuster Industrie
Ein weiterer Fehlschluss liegt in der Annahme, die USA seien durch das Defizit deindustrialisiert. Zwar ist die Industrieproduktion heute arbeitsärmer – aber nicht kleiner. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Wirtschaftsleistung ist zuletzt sogar gestiegen. Die stagnierende Beschäftigung resultiert primär aus höherer Automatisierung, nicht aus Verlagerung.
Gleichzeitig bleibt die Attraktivität des US-Standorts für Investoren ungebrochen. Das Wachstum ist höher als in anderen großen Volkswirtschaften, was die Nachfrage nach US-Vermögenswerten ankurbelt – und so den Dollar stärkt.
Fazit
Die vorgeschlagene Dollarschwächung im Rahmen des „Mar-a-Lago Accord“ basiert auf einem verkürzten Ursache-Wirkung-Verhältnis. Das Handelsbilanzdefizit hat strukturelle Ursachen, insbesondere im Zusammenspiel von staatlicher Verschuldung und privater Investitionsdynamik. Der Wechselkurs spielt dabei eine Rolle, ist aber kein Haupttreiber.
Ein strategischer Rückgang des Dollarwerts – selbst wenn koordinierbar – würde die zugrunde liegenden Probleme nicht lösen. Stattdessen müsste die US-Wirtschaft über eine verantwortungsvollere Fiskalpolitik stabilisiert werden. Das allerdings erfordert politische Kompromisse – und keine symbolträchtige, aber wirtschaftlich zweifelhafte Währungsstrategie.
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