Eurozone: Überschussliquidität bleibt trotz Rückgang deutlich über dem Gleichgewicht

Rückgang der Überschussliquidität setzt sich fort – aber ohne marktwirksame Folgen

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre geldpolitischen Sondermaßnahmen aus der Pandemiezeit schrittweise zurückgefahren. Dennoch liegt die Überschussliquidität im Euroraum weiterhin weit über dem Niveau, das für ein funktionierendes Geldmarktsystem erforderlich wäre. Trotz des erheblichen Rückgangs in den letzten Jahren zeigen Geldmarktsätze bislang kaum Anzeichen von Stress – ein Hinweis darauf, dass das Liquiditätsniveau nach wie vor außergewöhnlich hoch ist.

Datenlage: Rückgang von den Höchstständen – aber weiterhin hohes Niveau

Seit dem Höchststand im November 2022 ist die Überschussliquidität um rund zwei Billionen Euro gesunken. Ende April 2025 lag sie bei rund 2,7 Billionen Euro – fast eine halbe Billion Euro niedriger als noch vor einem Jahr. Schätzungen zufolge wird sie bis Ende 2025 auf etwa 2,5 Billionen Euro fallen und sich im Laufe des Jahres 2026 in einer Bandbreite von 1,85 bis 2,15 Billionen Euro bewegen. Selbst dann wäre das Niveau noch signifikant über dem Gleichgewichtswert, der häufig bei etwa 1 Billion Euro angesetzt wird.

Analyse: Keine Verknappung am Geldmarkt in Sicht

Die aktuellen Entwicklungen auf dem Geldmarkt deuten nicht darauf hin, dass sich das System einem Liquiditätsengpass nähert. Die Differenz zwischen dem €STR und dem Einlagensatz der EZB hat sich seit Juni 2023 nur leicht ausgeweitet – trotz eines Rückgangs der Überschussliquidität um fast 2 Billionen Euro. Auch andere Indikatoren, wie die Spreads zwischen Euribor und OIS, zeigen keine auffällige Marktanspannung. Das spricht dafür, dass die Liquidität nach wie vor mehr als ausreichend ist.

Gleichzeitig nutzen Banken die Refinanzierungsmöglichkeiten der EZB nur in sehr begrenztem Umfang. Die Nachfrage nach Zentralbankliquidität ist nach wie vor gering, was auf einen komfortablen Liquiditätsüberschuss hinweist. Eine Umfrage der EZB unter Geldmarktanalysten geht davon aus, dass die Nutzung dieser Refinanzierungsoperationen bis Ende 2026 lediglich rund 90 Milliarden Euro betragen wird – ein vergleichsweise niedriger Betrag im Verhältnis zu den erwarteten Reduktionen im Wertpapierbestand der Notenbank.

Ausblick: Fortgesetzte Portfolioverringerung der EZB wahrscheinlich

Die EZB wird ihre Anleihebestände weiterhin abbauen müssen, um das Liquiditätsniveau in Richtung des Gleichgewichts zu führen. Allein durch die Tilgung von Wertpapieren dürften bis Ende 2026 rund 900 Milliarden Euro an Liquidität aus dem System entzogen werden. Entscheidend ist dabei jedoch nicht nur die Angebotsseite – also der Rückgang der von der EZB bereitgestellten Mittel – sondern auch die Entwicklung der sogenannten autonomen Faktoren, die die Liquiditätsnachfrage der Banken beeinflussen. Diese sind schwer vorherzusagen, weshalb die EZB verschiedene Szenarien durchrechnet.

Eines der Szenarien geht davon aus, dass sich diese Faktoren in ähnlicher Weise wie im letzten Jahr entwickeln. Ergänzend werden Varianten mit stabilen bzw. doppelt so schnellen Veränderungen betrachtet. In allen Fällen bleibt der Korridor für das erwartete Liquiditätsniveau bis Ende 2026 deutlich über der Schwelle, bei der Marktspannungen wahrscheinlich wären.

Verteilung: Länderunterschiede bleiben, aber keine größeren Spannungen

Ein Blick auf die länderspezifische Verteilung zeigt, dass die Überschussliquidität im Verhältnis zur Bilanzsumme der Banken unterschiedlich ausgeprägt ist. Während Belgien besonders hohe Überschussquoten aufweist, liegen Länder wie Frankreich, Italien und Griechenland im unteren Bereich. Dennoch gibt es keine Hinweise auf Liquiditätsverwerfungen oder signifikante grenzüberschreitende Verlagerungen. Insgesamt scheint die Verteilung der Liquidität stabil und geordnet zu verlaufen.

Implikationen für die Geldpolitik: QT wird zur Gratwanderung

Der Rückgang der Überschussliquidität hat bislang keine nennenswerten Spannungen auf dem Geldmarkt ausgelöst – doch das könnte sich ändern, wenn das Gleichgewichtsniveau näher rückt. Die EZB steht vor einem geldpolitischen Spagat: Einerseits möchte sie ihre Bilanz weiter verkleinern, andererseits könnte bei einer konjunkturellen Abkühlung eine erneute Lockerung erforderlich werden. Das Nebeneinander von Zinssenkungen und fortgesetztem Bilanzabbau wäre allerdings widersprüchlich und schwer vermittelbar.

Zudem besteht die Gefahr, dass die EZB in ihrer geldpolitischen Normalisierung zu lange allein voranschreiten muss, während andere Zentralbanken – etwa die Fed – ihre Straffungspfade pausieren oder beenden. In einem solchen Szenario könnte sich das Auseinanderdriften der geldpolitischen Kursrichtungen negativ auf Wechselkurse, Kapitalflüsse und Marktstabilität auswirken.

Fazit: Noch kein Ende in Sicht

Auch wenn die Liquidität im Euroraum seit dem Höhepunkt deutlich gesunken ist, bleibt sie noch immer weit über dem Gleichgewichtsniveau. Die bislang ausbleibenden Spannungen an den Geldmärkten zeigen, dass die EZB mit ihrer Politik noch Spielraum hat – aber auch, dass der Weg zurück zur geldpolitischen Normalität lang und komplex sein wird. Ein nachhaltiger Gleichgewichtszustand dürfte frühestens 2027 erreicht werden – sofern keine neuen Schocks eintreten.

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