Seitwärtsbewegung nach starker Steilung – Trend oder Übergang?
Die Zinskurve für deutsche Bundesanleihen hat sich seit März deutlich verändert. Besonders der Abstand zwischen zweijährigen und zehnjährigen Renditen – der sogenannte 2/10Y Spread – hat sich im Frühjahr stark ausgeweitet. Seitdem bewegt sich dieser Spread weitgehend seitwärts um die Marke von 70 Basispunkten. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob es sich um eine neue Normalität handelt oder ob eine weitere Kurvenverflachung bevorsteht.
Datenlage: Von 40 auf 86 Basispunkte – was die Märkte bewegt hat
Der Spread zwischen 2-jährigen und 10-jährigen Bundesanleihen hatte Anfang März noch unter 40 Basispunkten gelegen. Die anschließende schnelle Steilung auf 70 Basispunkte war hauptsächlich durch zwei Entwicklungen bedingt:
- Die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz, die fiskalpolitischen Zügel zu lockern – insbesondere durch höhere Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung.
- Die damit verbundene Erwartung steigender Inflationsrisiken sowie einer erhöhten Emissionstätigkeit, was wiederum zu höheren Laufzeitprämien an den Kapitalmärkten führt.
Die Kurve wurde zusätzlich durch internationale Faktoren beeinflusst. Anfang April erreichte der Spread mit 86 Basispunkten seinen bisherigen Höchststand. Auslöser war nicht die deutsche Fiskalpolitik, sondern die Reaktion auf US-Präsident Trumps massive Zollankündigungen am 2. April. Diese sorgten für Konjunktursorgen und führten zu einem Rückgang der kurzfristigen Zinsen – was den Spread temporär vergrößerte.
Mittlerweile hat sich die Kurve etwas zurückgebildet, bleibt jedoch stabil im Bereich von 70 bis 80 Basispunkten. Die Renditen am langen Ende reagieren sensibel auf Inflations- und Wachstumserwartungen, während die kurzen Laufzeiten eher von der Geldpolitik beeinflusst werden.
Einordnung: Drei Gründe, warum eine nachhaltige Verflachung unwahrscheinlich ist
Trotz kurzfristiger Rücksetzer sehen die Experten mittelfristig keine Rückkehr zu flacheren Kurven wie im Umfeld der EZB-Anleihekäufe. Drei zentrale Gründe sprechen gegen eine deutliche Verflachung der Bund-Zinskurve:
- Realzinskurve bleibt ungewöhnlich flach
Die reale Renditedifferenz zwischen kurzen und langen Laufzeiten ist weiterhin niedrig. Dies steht im Widerspruch zum erwarteten Anstieg der Staatsverschuldung und spricht für eine höhere langfristige Prämie – also eine steilere Kurve. - Bilanzreduktion der EZB unterstützt Steilung
Die Europäische Zentralbank befindet sich in einem aktiven Rückführungsprozess ihrer Bilanz. Anders als in der Zeit expansiver Anleihekäufe (QE), als die Kurve im Schnitt nur rund 50 Basispunkte betrug, dürfte sich in einem QT-Umfeld strukturell eine höhere Steilheit etablieren. - Geopolitische Fragmentierung erhöht mittelfristig Inflationsrisiken
Der zunehmende globale Protektionismus, angetrieben durch Handelskonflikte und Lieferkettenanpassungen, dürfte die Produktionskosten erhöhen und die Preisdynamik im Euroraum langfristig verstärken. Auch dies spricht für höhere langfristige Zinserwartungen.
Ausblick: Zwischen Handelsgesprächen und Inflationstrends
Kurzfristig könnte der Spread auf 60 bis 70 Basispunkte zurückfallen, insbesondere wenn die Hoffnungen auf eine Einigung im US-chinesischen Zollstreit konkrete Formen annehmen. Doch eine ausgeprägtere Verflachung wäre nur wahrscheinlich, wenn mehrere dämpfende Faktoren gleichzeitig greifen – etwa eine überraschend starke geldpolitische Lockerung der EZB oder eine abrupte Entspannung an den Anleihemärkten.
Solange jedoch die fiskalischen Expansionspläne in Deutschland Realität werden, die EZB weiter ihre Bilanz verkleinert und geopolitische Risiken bestehen bleiben, spricht vieles dafür, dass die Bund-Zinskurve auf einem erhöhten Niveau bleibt – und die Phase der ultraflachen Kurvenstruktur der vergangenen Jahre vorerst vorbei ist.
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