EZB steht vor weiterem Zinsschritt – Spielraum für zusätzliche Lockerung bleibt offen

EZB steht vor weiterem Zinsschritt – Spielraum für zusätzliche Lockerung bleibt offen

Klarer Zinsschritt trotz geopolitischer Unsicherheit

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird am kommenden Donnerstag aller Voraussicht nach eine weitere Leitzinssenkung um 25 Basispunkte beschließen. Dieser Schritt gilt als weitgehend unstrittig, da die wirtschaftlichen Risiken infolge der US-Zölle sowohl die Konjunktur als auch den Inflationsausblick im Euroraum belasten. Der Einlagenzins dürfte damit auf 2 % sinken – ein Zwischenschritt auf dem erwarteten Weg zu einem endgültigen Zinsniveau von 1,75 % bis zum Herbst.

Wachsender Konsens trotz vereinzelter Gegenstimmen

Innerhalb des EZB-Rats zeichnet sich ein breiter Konsens für die weitere Lockerung ab. Zwar haben sich einzelne Mitglieder wie Isabel Schnabel und Robert Holzmann zuletzt skeptisch geäußert – mit Verweis auf potenzielle Inflationsrisiken und die Unklarheit über die US-Handelspolitik. Doch andere Stimmen, darunter Pierre Wunsch, signalisierten Unterstützung für weitere Senkungen und hielten sogar ein Niveau „leicht unter 2 %“ für denkbar. Die Mehrheit der Ratsmitglieder scheint die dämpfenden Effekte der US-Zölle – etwa durch die Aufwertung des Euro, sinkende Energiepreise oder eine mögliche Umleitung chinesischer Handelsströme – als Argumente für geldpolitische Lockerungen zu sehen.

Neue EZB-Prognosen: Nur moderate Anpassungen erwartet

Die neuen makroökonomischen Projektionen der EZB dürften das Risikobild bestätigen, jedoch keine drastischen Anpassungen bringen. Denn fiskalische Impulse aus Deutschland und erhöhte Verteidigungsausgaben auf EU-Ebene gleichen einen Teil der Zollbelastung voraussichtlich aus. Die wirtschaftlichen Folgen der Zölle dürften sich vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2025 sowie Anfang 2026 bemerkbar machen. Fiskalmaßnahmen hingegen dürften frühestens ab 2026 greifen – mit einer merklichen Dynamik ab 2027. Diese zeitliche Entkopplung könnte der EZB ermöglichen, Inflation zunächst zurück auf rund 2 % zu bringen, bevor fiskalisch bedingter Aufwärtsdruck einsetzt.

Ausblick auf weitere Schritte – viel hängt von geopolitischen Entwicklungen ab

Da die Zinssenkung in der kommenden Woche bereits vollständig von den Märkten eingepreist ist, richtet sich die Aufmerksamkeit nun auf die Frage, wie es danach weitergeht. EZB-Präsidentin Christine Lagarde dürfte sich bei der Pressekonferenz zurückhaltend äußern und auf die datenabhängige Vorgehensweise verweisen. Es ist denkbar, dass einige Ratsmitglieder, die die aktuelle Senkung mittragen, anschließend zunächst eine Pause bei 2 % befürworten – solange die Auswirkungen der US-Zölle und potenzielle europäische Gegenmaßnahmen noch nicht absehbar sind.

Die Projektionen im September könnten dann ein klareres Bild liefern. Vor diesem Hintergrund hält die Investment Institute-Prognose an einem endgültigen Zinssatz von 1,75 % fest. Ob dieser im Juli oder September erreicht wird, bleibt offen. Da die Eurozone nach wie vor nicht in eine Rezession abrutscht und sich der Arbeitsmarkt stabil zeigt, erscheinen tiefere Leitzinsen zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich.

Zinsmärkte bleiben gelassen – Fokus auf mittelfristige Ausrichtung

Seit der letzten EZB-Sitzung am 17. April haben sich die Renditen im Euroraum kaum verändert. Im Gegenteil: Die Erwartung eines leicht weniger expansiven geldpolitischen Kurses hat sogar leicht zugenommen. Der Terminmarkt preist inzwischen ein Einlagenzinsniveau von 1,75 % bis Jahresende ein – ein Anstieg gegenüber den 1,6 % aus der April-Projektion. Diese moderate Anpassung spiegelt die verbesserte Nachrichtenlage im US-chinesischen Handelskonflikt wider. Die Folge: Risikoaufschläge bei Staatsanleihen und Unternehmensanleihen sind gesunken, und die allgemeinen Finanzierungsbedingungen haben sich entspannt.

Keine klare Richtung nach Juni – Märkte rechnen mit Verzögerung

Obwohl die Zinssenkung im Juni nahezu sicher ist, bleibt der weitere geldpolitische Pfad unklar. Der Markt sieht derzeit lediglich eine Wahrscheinlichkeit von rund 25 % für einen weiteren Schritt bereits im Juli. Erst im Dezember wird eine vollständige weitere Senkung auf das Niveau von 1,75 % eingepreist. Auch das zeigt: Die Marktteilnehmer erwarten, dass die EZB zunächst abwartet, bis sich die Lage rund um die US-Zölle und mögliche EU-Gegenmaßnahmen geklärt hat.

Inflationsprognosen als kritischer Faktor

Besondere Beachtung gilt den neuen Inflationsprognosen der EZB. Die kurzfristigen Markterwartungen für die Inflation im Euroraum sind seit dem sogenannten „Liberation Day“ – dem Startschuss für die neuen US-Zölle – gefallen. Derzeit liegt die 2-Jahres-Inflationsswaprate bei nur noch 1,55 %. Die bisherigen EZB-Prognosen gingen noch von einer Inflation von 2,3 % im Jahr 2025, 1,9 % im Jahr 2026 und 2 % im Jahr 2027 aus. Sollten die neuen Zahlen von diesem Pfad nicht deutlich abweichen, könnte dies zu einem leichten Anstieg der kurzfristigen Euro-Zinsen führen. Insgesamt ist jedoch nicht zu erwarten, dass die kommende Sitzung die bestehenden Zinsniveaus merklich beeinflussen wird.


Euro zeigt sich stark – Schwäche des US-Dollars stützt EUR/USD

Trotz aller geopolitischen Unwägbarkeiten hat sich der Euro gegenüber dem US-Dollar in den letzten Wochen robust gezeigt. Die erwartete Zinssenkung der EZB dürfte daran nichts ändern. Vielmehr bleibt der Fokus auf dem weiteren Lockerungspfad – doch dieser ist am Markt bereits weitgehend eingepreist. Die jüngsten Schwankungen im EUR/USD-Kurs lassen sich vor allem auf externe Ereignisse zurückführen: So gab es seit Mitte Mai gleich mehrere marktbewegende Entwicklungen, darunter die vorübergehende Senkung der US-Zölle auf chinesische Güter, die Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit durch Moody’s sowie ein zwischenzeitliches Gerichtsurteil gegen die Trump’schen Zölle.

Trotz dieser Ereignisse bewegte sich das Währungspaar konstant innerhalb der Spanne von 1,10 bis 1,15. Die Marktlogik folgt derzeit dem Muster „Buy on dips“ – Rücksetzer werden als Kaufgelegenheiten genutzt. Lagarde selbst betonte zuletzt mehrfach, dass die Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar eine positive Entwicklung darstelle und in direktem Zusammenhang mit der unberechenbaren US-Handelspolitik stehe.

Ein Blick auf den US-Dollar-Index (DXY) ohne den Euro zeigt: Die Schwäche des Greenbacks bleibt bestehen – und stützt damit indirekt die Aufwärtsbewegung des Euro. Die Datenlage spricht somit auch mittelfristig für einen festen EUR/USD-Kurs.

EZB versus Fed – Divergenz der Zinspolitik weitet sich aus

Während die Europäische Zentralbank mit einer weiteren Zinssenkung auf 2 % einen klaren Lockerungspfad signalisiert, zeigt sich die US-Notenbank deutlich zurückhaltender. Die Marktteilnehmer erwarten für die Fed im laufenden Jahr nur noch eine Reduktion um 25 Basispunkte – und selbst diese Prognose steht unter Vorbehalt. In der Eurozone hingegen rechnet der Markt bereits mit einem Endzinssatz von 1,75 % bis Jahresende. Die Zinsdifferenz zwischen beiden Währungsräumen wird sich damit weiter vergrößern.

Diese Divergenz hat spürbare Folgen für die Kapitalmärkte. Einerseits erhöht sich der Druck auf den Euro, sich weiter aufzuwerten – ein Effekt, der durch die politische Unsicherheit in den USA noch verstärkt wird. Andererseits bleibt das Eurozinsniveau vergleichsweise attraktiv für Kreditnehmer, was sich stabilisierend auf die Nachfrage nach Euro-Anleihen auswirken dürfte.

Transmission auf Peripheriemärkte: Entlastung mit Zeitverzug

Die geldpolitische Lockerung wirkt nicht überall im Euroraum gleich stark. Besonders in den südlichen Mitgliedstaaten zeigen sich nach wie vor höhere Risikoaufschläge – trotz der verbesserten Finanzierungsbedingungen seit April. Italienische und spanische Staatsanleihen haben von der gestiegenen Risikofreude zwar profitiert, doch die Reaktionen fielen verhaltener aus als bei deutschen Bundesanleihen.

Ein wesentlicher Grund liegt in der fiskalischen Ausgangslage: Länder mit hohem Schuldenstand bleiben anfälliger gegenüber externen Schocks, insbesondere wenn die konjunkturelle Dynamik schwächelt. Insofern wird die EZB darauf achten müssen, dass die Lockerung nicht nur am Kapitalmarkt, sondern auch im realwirtschaftlichen Kreditangebot in diesen Regionen ankommt.

Unternehmensanleihen: Mehr Emissionen erwartet

Die anhaltend niedrigen Zinsen im Euroraum haben bereits zu einem spürbaren Anstieg bei der Emission von Unternehmensanleihen geführt. Vor allem US-Konzerne nutzen derzeit das Euro-Zinsumfeld über sogenannte Reverse-Yankee-Bonds – ein Trend, der sich bei stabilen Spreads und geringer Volatilität fortsetzen dürfte. Auch europäische Unternehmen beginnen wieder vermehrt, sich langfristig und günstig zu refinanzieren.

Für Anleger bedeutet dies attraktive Opportunitäten im Investment-Grade-Bereich, insbesondere bei Neuemissionen mit moderatem Risikoaufschlag. Die Risikoprämien sind weiterhin niedrig, aber stabil. Sollte sich die EZB über den Sommer hinaus zu weiteren Zinsschritten entschließen, könnte dies das Emissionsvolumen zusätzlich beflügeln – auch im High-Yield-Segment.

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