Altes Thema mit neuen Vorzeichen
Die Diskussion über globale Ungleichgewichte kehrt auf die internationale Bühne zurück. Beim jüngsten G7-Treffen forderten US-Finanzminister Scott Bessent und seine Kollegen den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu mehr Engagement auf. Im Fokus stehen wie schon vor 20 Jahren die USA und China – doch die Rollen und Ursachen haben sich verändert. Heute tragen die Vereinigten Staaten eine deutlich größere Verantwortung für das globale Ungleichgewicht als früher.
Rückblick: Chinas Überschüsse und die Entstehung der Debatte
Nach Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation explodierte der Leistungsbilanzüberschuss des Landes auf über 10 % des BIP. Die massive Währungsintervention und die damit verbundene Unterbewertung des Renminbi führten zu einer asymmetrischen Handelsdynamik. Der IWF verwies darauf, dass Überschüsse immer spiegelbildlich mit Defiziten einhergehen – in diesem Fall mit den der USA.
Im Jahr 2006 lag das US-Haushaltsdefizit bei unter 2 % des BIP, dennoch betrachteten die USA Chinas Währungspolitik als das eigentliche Problem. Die damaligen G20-Gipfel thematisierten globale Ungleichgewichte ausdrücklich – allerdings stieß dies insbesondere bei China auf Widerstand. Der G20-Gipfel in Pittsburgh 2009 mündete schließlich in den sogenannten Rahmen für „Starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum“, mit dem Ziel, die globale Nachfrage besser zu verteilen.
Pandemie, Schulden und Strukturwandel: Neue Dynamiken
Chinas staatliches Konjunkturpaket nach der Finanzkrise reduzierte den Leistungsbilanzüberschuss kurzfristig. Gleichzeitig setzte das Land aber seine Interventionen fort, wodurch die Devisenreserven bis 2014 auf 4 Billionen US-Dollar anwuchsen. Parallel entwickelte sich Deutschland mit seiner Schuldenbremse („Schwarze Null“) zum neuen Überschussweltmeister.
Die USA reduzierten ihre Defizite zunächst, doch seit 2017 – und insbesondere während der Pandemie – stiegen diese rasant an. Die politischen Spannungen darüber blieben nicht aus: Auf dem G20-Gipfel in Seoul 2010 etwa stießen US-Initiativen zu globalen Indikatoren für Ungleichgewichte erneut auf Widerstand – besonders von Seiten Chinas und Deutschlands.
China: Unterbewertung, Kapitalflucht und ein marodes Wachstumsmodell
Auch wenn Chinas Leistungsbilanzüberschuss heute in Prozent des BIP niedriger ist als früher, bleibt er nominal hoch. Studien wie jene des US-Ökonomen Brad Setser deuten darauf hin, dass der reale Überschuss unterschätzt wird. Die Währung bleibt deutlich unterbewertet – allerdings weniger durch aktive Eingriffe als durch Kapitalabflüsse und fehlendes Vertrauen.
Gravierender ist mittlerweile das strukturelle Problem: Ein hohes Sparniveau, geringe Konsumquoten und ein kreditgetriebener Investitionsboom haben ein Ungleichgewicht geschaffen, das kaum noch durch Binnenkonsum aufgefangen werden kann. Die daraus resultierende Überproduktion wird zunehmend ins Ausland gedrückt – mit entsprechenden Folgen für Handelsbeziehungen und globale Nachfrageverteilungen.
Deutschland: Überschüsse bleiben, doch das Modell wankt
Deutschland trägt weiterhin hohe Leistungsbilanzüberschüsse, doch das Interesse daran nimmt ab. Mit der Aussetzung der Schuldenbremse während der Pandemie und dem angekündigten Strategiewechsel der neuen Regierung unter Kanzler Friedrich Merz – etwa durch verstärkte Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung – zeichnet sich eine Kurskorrektur ab.
Gleichzeitig bröckelt das exportorientierte Wachstumsmodell. Die Automobilindustrie – lange ein Rückgrat des deutschen Außenhandels – steht durch die Konkurrenz chinesischer Elektrofahrzeuge und globale Nachfrageschwächen unter Druck. Auch die Handelsbarrieren unter Präsident Trump treffen deutsche Exporte empfindlich.
USA: Defizite als größter Treiber des Ungleichgewichts
Besonders auffällig ist der Wandel auf amerikanischer Seite. Die Leistungsbilanzdefizite der USA steigen wieder deutlich an und erreichen derzeit rund 4 % des BIP – trotz des Wandels von einem großen Energieimporteur hin zum Nettoexporteur.
Was sich gravierend verändert hat, ist die Fiskalpolitik. Die Budgetdefizite sind nicht länger Randerscheinung, sondern strukturell verankert. Der Congressional Budget Office erwartet ein durchschnittliches Defizit von 6 % des BIP über das nächste Jahrzehnt. Trumps geplantes Steuer- und Ausgabenpaket würde diese Lücke weiter vergrößern. Die Nettoauslandsvermögensposition der USA hat sich bereits auf minus 85 % des BIP verschlechtert.
Langfristig könnte dies zu wachsenden Problemen bei der Finanzierung führen – insbesondere wenn die Kapitalrenditen amerikanischer Auslandsinvestitionen nicht dauerhaft höher bleiben als jene, die ausländische Investoren in den USA erzielen.
Gerechtfertigte Kritik an China – doch auch die USA stehen in der Pflicht
Während die G7-Staaten mit Blick auf Chinas Wirtschaftspolitik berechtigte Kritik äußern, sollte die Rolle der USA nicht unter den Tisch fallen. Im Gegensatz zu früher sind es heute vor allem die hohen und wachsenden US-Haushaltsdefizite, die zum globalen Ungleichgewicht beitragen. Eine Rückführung des Leistungsbilanzdefizits wäre ohne glaubwürdige fiskalische Konsolidierung kaum möglich.
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