Was denkt Trumps innerer Zirkel über die Welt – und wie prägen diese Vorstellungen die Politik? Ich habe vergangene Woche an einem Seminar des konservativen Ökonomen Oren Cass teilgenommen, einem einflussreichen Vordenker der amerikanischen Rechten und Mitgestalter des wirtschaftspolitischen Kurses von Trump 2.0.
Cass war nicht nur Mitautor des „Project 2025“ der Heritage Foundation, das als Blaupause für die zweite Amtszeit Trumps gilt, sondern prägte mit seinem Think-Tank American Compass auch zentrale Narrative im republikanischen Lager. Obwohl viele seiner Thesen kontrovers sind, lohnt sich ein Blick – denn sie geben Hinweise darauf, wohin sich die Weltordnung und die Märkte bewegen könnten.
Die alte Ordnung ist tot – es lebe die neue?
Oren Cass geht davon aus, dass die US-geführte liberale Weltordnung Vergangenheit ist. In seinen Augen war sie ein gut gemeintes, aber fehlgeleitetes Experiment:
- Die USA dienten als Sicherheitsgarant und Absatzmarkt für die ganze Welt.
- Europa profitierte militärisch, China wirtschaftlich – ohne sich politisch zu öffnen.
- Die amerikanische Mittelschicht wurde durch Deindustrialisierung und Globalisierung zerrieben.
Soweit bekannte Trump-Rhetorik. Doch spannend wurde es, als Cass skizzierte, was an die Stelle dieser Ordnung treten soll: ein von den USA geführter Block gleichgesinnter westlicher Staaten, aufgebaut nach dem sogenannten BBC-Prinzip:
- Balanced Trade (Ausgeglichener Handel):
Handelsdefizite sollen nicht länger akzeptiert werden – notfalls durch Zölle. - Burden Owning (Lasten selbst tragen):
Staaten müssen ihre Verteidigung selbst finanzieren. Die USA „helfen nur noch“. - China Out:
Ein kollektiver Ausschluss Chinas durch Handels- und Investitionsbeschränkungen sowie Export- und Einwanderungskontrollen.
Das Ergebnis: eine Weltordnung mit klaren Grenzen – ein US-Block gegen einen China-Block, mit Europa als Mitspieler, aber nicht als gleichberechtigter Partner.
Von Handelskrieg zur geoökonomischen Spaltung
Viele Entwicklungen der letzten Wochen – von Trumps Strafzöllen auf europäische Produkte bis hin zu Abschottungstendenzen gegenüber China – lassen sich durch diese Brille deuten.
US-Finanzminister Scott Bessent sprach kürzlich offen über die Idee eines neuen Handelsabkommens mit Verbündeten – als Grundlage für eine gemeinsame China-Strategie. Das wäre ein klarer Bruch mit der „De-Risking“-Strategie der Biden-Regierung.
Cass zufolge hat Europa ohnehin keine Wahl: Zu schwach, zu zerstritten, um eine „dritte Kraft“ zu bilden. Wer im US-Block mitspielen will, müsse militärisch aufrüsten und seine Handelsüberschüsse abbauen – als „Eintrittsgebühr“.
Für Europa bedeutet das: Mehr als je zuvor wird die strategische Ausrichtung zur wirtschaftlichen Schicksalsfrage.
Marktfolgen einer geteilten Welt
In einer von Cass geprägten Ordnung wäre der Welthandel von struktureller Diskriminierung gegenüber China geprägt. Das bedeutet:
- Reshoring, Friendshoring, Entkopplung würden zum neuen Normal.
- Handel innerhalb des US-Blocks würde nicht länger nach Effizienz, sondern nach politischen Kriterien erfolgen.
- Kapitalverkehrskontrollen, Finanzsanktionen und eingefrorene Vermögenswerte könnten zunehmen – mit Folgen für Volatilität, Refinanzierungskosten und Investitionsbereitschaft.
Ein solches Szenario würde die globalen Finanzmärkte deutlich volatiler und fragmentierter machen – eine Entwicklung, die bereits spürbar ist, sich aber weiter verschärfen könnte.
Was Europa tun kann – und tun muss
In Cass’ Welt hat Europa nur zwei Optionen: sich dem US-Block zu unterwerfen oder isoliert zu werden. Doch es gäbe einen dritten Weg – kein Gegenspieler, sondern ein starker Partner.
Dazu müsste Europa:
- Seine Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig steigern
- In technologische Souveränität und Verteidigung investieren
- Und strategisch klüger agieren – mit gemeinsamen Projekten statt nationalem Kleinklein
Statt einer Spaltung der Welt wäre auch ein „Grand Bargain“ denkbar: ein neues globales Ordnungssystem, das Chinas wirtschaftliche Bedeutung anerkennt, Vertrauen schafft und den Welthandel neu aufstellt – unter Mitgestaltung der USA, Europa und anderer Mächte.
Für einen Deal-Maker wie Trump wäre das womöglich sogar attraktiver als ein neuer Kalter Krieg.
Fazit
Ob man Oren Cass zustimmt oder nicht – seine Ideen sind kein Randphänomen, sondern prägen reale Politik. Europa muss sich mit dieser neuen Realität auseinandersetzen – und gleichzeitig seine Handlungsfähigkeit stärken. Denn was auf dem Spiel steht, ist nicht weniger als seine Rolle in der Welt.
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